Universitas oder Firma? ...Weder-noch!
Hinweise auf einen dritten Weg
von Sigi Lehmann

Das Planspiel 'Universität als Firma' zeigt, da▀ Universitäten wesentliche Elemente von Betrie-ben fehlen, so da▀ betriebswirtschaftliche Me▀latten nicht zur Beurteilung taugen. Aber: be-triebliche Organisationen liefern nützliche Kategorien für eine Hochschul-Analyse. So stellen sich folgende

Fragen

1. Welche Ziele verfolgt die Hochschule? Handelt es sich um gemeinsame Ziele der Gesamtor-ganisation? Bilden diese Ziele die Basis der Produktion/Dienstleistung (Forschung/Wissensvermittlung) und sind diese Ziele wettbewerbsfähig (im Sinne von mithalten können) und wettbewerbstauglich?

2. Verfügt die Hochschule über 'Produkte' (Waren) für einen Markt?

3. Hat die Universität Mitglieder/Mitarbeiter(inn)en für die entsprechende Produktion?

4. Hat die Hochschule Kunden und in welcher Beziehung stehen Ziele und Kundschaft?

5. Verfügt die Hochschule über eine Organisation, die ihren Zielen und ihrer Produktion ent-spricht?

Meine Antworten auf diese Fragen lauten

1. Die Ziele der Hochschule werden meist mit ihren Aufgaben bzw. ihren 'Produkten' (Forschung und Lehre), manchmal auch mit den breit streuenden Interessen der Mitglieder der Organisation verwechselt. Klar definierte und operationalisierbare Ziele fehlen. Organisationen mit solchen Zielstrukturen sind von au▀en steuerbar. Ohne echte Autonomie, d.h. eigenständige Zielsetzung, sind Hochschulen nicht wettbewerbsfähig (im Sinne von nicht können).

2. Ja, zumindest im Bereich Forschung. Im Bereich Lehre fehlen Produktivitätskriterien und es gibt keinen echten Markt.

3. Vielleicht - vielleicht auch nicht. Ob die Hochschule die 'richtigen' Wissenschaftler und Or-ganisatoren hat, kann ohne Zielvorgabe sachlich nicht beantwortet werden.

4. Jein. Bisher könnte 'die Gesellschaft' am ehesten den Kundenstatus für sich reklamieren, als eine Art virtueller Kundin: das Angebot der Unis ist breit, der Zugang offen, eine Art 'Alles unter einem Dach' - wenn auch nicht tausendfach. Hochschulmarketing und Produktdesign erfordern demgegenüber punktgenaue Markt- und Zielgruppendefinitionen (Fachmarkt-Prinzip), die dem Universitas-Prinzip mit seinen Spielräumen widersprechen.

5. Nein. Die Hochschulen sind in entscheidenden Organisationsfragen (Zielbildung/Finanzplanung/Mitarbeiterstruktur) nicht autonom. Entscheidungsstrukturen, die Konsens erfordern, versagen bei starker Interessenstreuung. Rollensplitting, z. B. Professoren als Forscher/Lehrer/Manager/Gremienmitglied/Lobbyisten/Vorbilder/Vorgesetzte/Un-tergebene, des-orientiert die Mitgliedschaft der Organisation und kompliziert die Zielfindung

Meine Schlu▀folgerungen

A. Die Hochschulen sind zu gro▀ und zu heterogen. Wenn sie zielgerichtet strukturiert würden (in anderen, kleineren Einheiten) könnten sie bessere Organisationen sein.

B. Rechtliche und hochschulpolitische Korsetts verhindern eine Organisationsreform. Wer heute Wettbewerb von den Hochschulen fordert, macht den zweiten Schritt vor dem ersten.

Last but not least

Marktmechanismen sind nicht so rational, wie gern unterstellt wird. Auch wird die Funktion des Marktes als Regulativ überschätzt. Es gibt Dinge, die nicht quantifizierbar sind und doch nütz-lich, z.B. Mu▀e. Bildung ist mehr als Ausbildung. Und schlie▀lich ist soziale Kooperation der Konkurrenz als menschlicher Überlebensstrategie mindestens ebenbürtig. Warum gründen wir für unsere Universitäten keinen gemeinnützigen Verein?

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